Freitag, 3. Juni 2016
O., 2014
Eigentlich ist O. unzurechnungsfähig. Ich weiß nicht, wie seine Krankheit heißt. Aber dass es nicht normal ist, wenn jemand mindestens drei unterschiedliche Namen nennt, wenn man ihn im Abstand einiger Wochen fragt, wie seine Mutter heißt, ist klar. O. ist also wahnsinnig, aber das ist zum Glück nicht mein Problem.

Ich treffe mich mit O. ab und zu Kreuzberg. Ich ekele mich vor seiner kleinen, unaufgeräumten, schwitzigen Wohnung. Aber er hütet regelmäßig Katze und Wohnung seiner Schwester. Die ist erfolgreich und normal und hat eine schöne, ziemlich pastellige Wohnung. Von ihrem Balkon aus kann man den Landwehrkanal sehen.

Ich würde mich niemals in O. verlieben. Dann müsste ich mir ja Gedanken um O. machen. Das will ich nicht. Ich mag es aber, wie O. mich massiert. Ich höre ihn gern singen. O. spielt Klavier und Mandoline. Das finde ich toll. Ab und zu küssen wir uns ein bisschen. Einmal schlafen wir auf dem weißen Sofa seiner Schwester miteinander und versuchen stundenlang, einen großen Spermafleck herauszureiben. O. hat überall Haare, sogar auf den Hoden, auf dem Damm und seinen After muss man zwischen all den Haaren richtig suchen.

Als O. verschwindet, fällt mir das lange nicht auf. Er ist schon früher oft nicht ans Telefon gegangen. Er war immer wieder lange nicht in Berlin. Als ich seine Schwester im Kirk sehe, trifft es mich trotzdem wie ein Schlag, dass er seit sechs Monaten zuhause in Sindelfingen wohnt, weil er total zusammengebrochen ist. Seine Mutter kümmert sich um ihn. Sie heißt übrigens Gisela.

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